Hortense was a famous musician.
Mein Zustand wurde von Tag zu Tag schlimmer. Ich fühlte, das wenn es mir an Mut gebräche, um die Erlaubnis zur Abreise zu bitten, mir bald auch die Kraft fehlen würde. Die Furcht, die mir mein Mann einflößte, war unausgesetzt eine so große, daß ich kaum eine Frage an ihn zu richten wagte. Endlich ließ ich es darauf ankommen. Ich sprach über das Amsterdamer Klima, das mir ans Leben ginge, von seinem Versprechen, mich in ein Bad gehen zu lassen und von den Ärzten, die es mir verordnet hatten. Zuerst machte er allerlei Einwendungen; schließlich entschied er sich, ich solle auf das Schloß Loo in Holland gehen, wo die Luft besser sei als an meinem derzeitigen Aufenthaltsorte. Ich nahm mit grofer Beklommenheit von meinem Sohne Abschied, war aber seinethalben jedenfalls beruhigt, ließ ich ihn doch in der Pflege der Frau von Boubers zurück.
Loo bekam mir nicht besser wie Amsterdam. Das einzige Heil schien mir in den seligen Bergländern zu liegen, die ich in meiner strahlenden Jugend gesehen hatte, und nach deren reiner Luft ich mich beständig sehnte. Ich schrieb meinem Mann, ich dürfe nicht länger säumen, ein Mittel zu versuchen, das mir früher so gut bekommen war. Er wagte nicht, mir die Bitte abzuschlagen und schrieb mir einen langen Brief über das Los meiner Kinder in Holland und unsre gemeinsame Verpflichtung, ihnen dies Land zu erhalten. Ich verstand damals nicht recht, was er damit sagen wollte. Ich wußte nämlich nicht, das die Erörterungen zwischen den beiden Brüdern schon so weit gediehen waren, daf mein Mann der Unabhängigkeit Hollands wegen Besorgnis heste.
Ich reiste mit einer meiner holländischen Damen und in Gesellschaft der Herren von Renesse und von Marmol; es begleiteten mich überdies zwei meiner Stallmeister. Je mehr ich mich Frankreich näherte, desto mehr schien das Leben wieder in mir zu erwachen. Bald aber sollte ich durch einen Eilboten erfahren, der König von Holland habe abgedankt und ich sei nach der Verfassung Regentin. Eine ungeheuchelte Besorgnis um den König war mein erstes Gefühl. Niemand wußte, wohin er sich begeben hatte. Ich dachte an Amerika, und das er allein und ohne Hilfe sei. Sein Verhängnis erweckte die grösste Teilnahme in meinem Gemüt. Ich hätte sogar glauben können, er stehe mir nah, seit er ins Unglück geraten war.
Ich schrieb an den Kaiser, um dessen Groll zu beschwichtigen und seine Hilfe für den zu erbitten, gegen den er, wie ich glaubte, aufgebracht sein musste. Ich erhielt verschiedene Depeschen, in denen er mir mitteilte, er gedenke Holland an Frankreich anzugliedern und schicke mir die Antworten, die ich an die verschiedenen Staatsämter senden sollte; denn diese hatten den Baron Span mit der Nachricht an mich entsandt, es sei mir die Regentschaft übertragen.
Die Briefe des Kaisers enthielten scharfe Vorwürfe gegen meinen Mann. Oft bezeichneten Kraftausdrücke an sich harmlose Dinge, und sein Unmut tobte sich in der Maßlosigkeit der Äußerungen aus. So sagte er: „Der König ist auf und davon und hat seinen Sohn in der größten Notdurft hinterlassen." Ich hätte mir ja denken können, das nur der Zorn ihn dergleichen sagen ließ; aber er traf mein Herz an der empfindlichsten Stelle.
Die Überreiztheit meiner Nerven, die beständige Aufregung, in die mich diese Kuriere versetzten, das alles lie mich die Dinge im schlimmsten Licht sehen. Das Bild meines hilflosen Kindes drängte sich mir mit aller Gewalt auf. Ich vergaß den Thron, der ihm doch noch zukam und konnte ihn nur immer in völliger Bedürftigkeit sehen, one das ich ihm hätte helfen können. Ich hatte gleich auf die erste Kunde Herrn von Marmol abgeschickt, ihn abzuholen; der Kaiser aber kam mir zuvor, indem er einen seiner Adjutanten,. Herrn von Lauriston, entsandte und das Kind nach Saint-Cloud zu sich bringen ließ, genau acht Tage nach seinem Regierungsantritt; mein Sohn hatte nämlich berets die Eide der verschiedenen Staatsämter abgenommen, als die Nachricht von der Einverleibung Hollands eintraf. Ich erfuhr nun, daß mein Mann insgeheim die Reise aus dem Haarlemer Palast angetreten und einen General der Garde mitgenommen hatte, der als Franzose und Offizier seines früheren Dragonerregiments ihm die Karriere verdankte und seine weiteren Aussichten gern zum Opfer brachte. Der König hatte klar gesehen, da der Kaiser fest entschlossen war, Holland mit Frankreich zu vereinigen; die französischen Truppen beherrschten das Land, das sich nicht zur Wehr setzen konnte. Er zog also vor, sich zurückzuziehen. Ich war weit entfernt, eine solche Haltung zu missbilligen. Es ist vielmehr gewiss ehrenvoll, auf einen Thron zu verzichten, um einer Gewissenspflicht zu genügen, nur fiel es mir schwer, ihm zu verzeihen, das er mich seiner Politik wegen hatte kommen lassen, wo ich mich doch immer von Staatsangelegenheiten ferngehalten hatte.
Es dauerte nicht lange und ich erfuhr, da er in Teplitz angekommen war. Die Überzeugung, das ich an seiner Seite nicht das Geringste zu suchen hatte, und auch die Furcht, ihm immer noch im Weg zu sein, da ich ja nichts als die Erinnerung an eine Vergangenheit mitbringen konnte, an deren unglücklichen Verlauf er die Schuld trug, waren der einzige Grund, weshalb ich der ersten Regung keine Folge gab, die mich ihn aufsuchen hie. Hätte ich glauben können, das ich ihm seine Lage irgendwie erleichtern könnte, so hätte ich gewiss nicht gezögert und sogar die geheiligten Interessen meiner Kinder zurücktreten lassen. Da ich aber, wie gesagt, andrer Überzeugung war, so hätte ich mir ja nur in den Augen der Welt den Schein der Großmut erschlichen, ohne das Dasein dessen verbessern zu können, für den ich ein solches Opfer gebracht hätte.
NEUNTES KAPITEL
Marie-Louise. - Pauline. - Herr von Flahaut. - Geburt des Königs von Rom. - Karoline. - Der Hof des Kaisers.
Meine Mutter gebrauchte die savoyischen Bäder und forderte mich auf, mich ihr anzuschliessen. Sie konnte mir die Freude nicht verhehlen, mich durch die Abwesenheit meines Mannes endlich frei und sorgenlos zu wissen, das erstemal in meinem Leben. Mein Art, der berets ernstliche Besorgnis meiner Lunge wegen geäussert hatte, untersagte mir die Bäder in Plombières und erlaubte mir nur schwefelhaltige Wasser, um einem Ubel zu wehren, das so viele seelische Erschütterungen verschlimmert hatten.
Die Schweiz war ein Land, das ich gern gesehen hätte. Nach allen Beschreibungen stellte ich es mir als Stätte der stillen Abgeschiedenheit und des Glückes vor. Die schlichten Sitten, die große und schöne Natur, der allseits abgeschlossene Horizont, der zwischen uns und den unvermeidlichen Übeln der großen Welt eine Schranke aufzurichten schien, das alles hätte mich veranlasst, dort ein Idealglück zu suchen, auf das ich doch schon lange verzichtet hatte. Wie ich nach Aix-en-Savoie kam, und fast an der Grenze dieses schönen Landes stand, konnte ich dem Verlangen nicht widerstehen, es zu betreten.
Ich liess meine Wagen alle den Weg über die französische Strasse nehmen, die nach Genf führt. Die Hälfte meines Hofstats und ich selbst (übrigens im strengsten Inkognito, um keine Vorwürfe von seiten des Kaisers gewärtigen zu müssen, der mir nicht erlaubt hatte, Frankreich zu verlassen) fuhren dagegen über Besançon, Pontarlier und Lausanne. Ich war so schwach, das mich zwei Diener auf einem Stuhl tragen mußten, den man eigens hatte machen lassen für den Fall, das die Steigung im Berggelände zu groß wurde. Ich kam sehr ermüdet, aber dennoch mit der Empfindung in Genf an, das mir die reine Bergluft und der Anblick dieser herrlichen Natur wohl getan hatten. Ich nahm außerhalb der Stadt, nämlich in Sècheron, Wohnung und zog mich in ein Zimmer zurück, der Ruhe zu pflegen; doch vergebens. Ich wollte wider zu meinen Damen, die sich im Garten des Herrn Heutsch aufhielten, der an den des Gasthofs in Sècheron grenzte. Sie unterhielten sich gerade mit einigen unbekannten Herren, die die Ankömmlinge für Fremde hielten und ihnen das Land beschrieben. Wie ich eintrat, wandte sich die allgemeine Aufmerksamkeit mir zu. Einer der Herren, seinem Betragen nach ein freimütiger, gefälliger Mensch, betrachtete mich mit Aufmerksamkeit und fand mich so leidend aussehend, das er mir alsbald den Aufenthalt in der Schweiz zu rühmen begann.
Ich würde, sagte er, hier sicherlich wieder genesen; er verdanke der Schweiz und der Pflege eines geschickten Arztes, eines Freundes von ihm, das Leben, den er mir auch zeigte und der in geringer Entfernung auf und ab ging; darauf eilte er, ohne meine Antwort abzuwarten, zu hm und stellte ihn vor. Der Arzt trat näher und fragte mit durchdringendem Blick: „Wie lange sind Sie krank? Was felt Ihnen?" Ich meinte ihn sagen zu hören: „Welche Sorgen haben Ihnen das Leben verdüstert?", waren doch meine Kümmernisse meine Krankheit, und von meiner Gesundheit reden hie, mich an sie erinnern.
Als einzige Antwort brach ich in Tränen aus. Die Teilnahme des Fremden, der mir den Arzt zugeführt hatte, verdoppelte sich bei diesem Anblick. Er fasste mich bewegt am Arm, bat, sich meiner annehmen zu dürfen, legte mir nah, Zerstreuungen zu suchen, bewunderte mit mir die Ufer des Sees und stellte mich, als er Herrn Heutsch und seine Familie unter der Türe stehen sah, als Fremde vor, one mich zu fragen; er veranlasste mich, in das Haus zu treten, wo am selben Abend eine ziemlich große Gesellschaft sein sollte. Ich vermochte kein Wort zu sagen. Ich war zu erregt und lief alles geschehen. Der Arzt verwandte kein Auge von mir, um die Ursache mines Leidens zu entdecken. Meine Damen folgten schweigend und wagten mein Inkognito nicht zu lüften. Um beim Eintritt in das Wohnzimmer meine allzu sichtbare Aufgeregtheit zu verbergen, grüsste ich und nahm rasch ein Notenblatt zur Hand das auf dem Klavier lag. „Das ist eine neue Romanze,“ erklärte der Herr des Hauses, „sie ist von der Königin von Holland. Meine Nichte trägt sie recht gut vor.“ - Und sie sang sie denn auch, und ich sagte mir, sie könne bei dieser Unbefangenheit keine Ahnung haben, das die Verfasserin in ihrer nächsten Nähe stand. Ich wollte mich zurückziehen, als vom See her Musik zu hören war. Ich musste ein zweites Mal dem Drängen des Hausherrn und dessen nachgeben, der mich aus dem Stegreif bei ihm eingeführt hatte, und der ankommenden Gesellschaft entgegengehen. War's diese kleine Unannehmlichkeit, meine Verwirrung oder die Wirkung der Musik auf meine Nerven, ich wüsste es nicht zu sagen: genug, die Tränen flossen mir noch immer reichlich. Je mehr ich mich ihrer schämte, desto weniger konnte ich ihnen gebieten. Die neue Gesellschaft, die aus Genf herübergekommen war, stieg aus dem Schiffe, und man begann, da mich offenbar jemand erkannt hatte, sich meinen Namen zuzuflüstern. Er erreichte auch den Herrn, der mir nicht von der Seite ging und mir in seinem Wunsch, es mir recht angenehm zu machen, für den nächsten Tag eine Landpartie, dann eine Seefahrt und alle Vergnügungen in Aussicht gestellt hatte, die in der Umgebung des Genfer Sees zu haben waren. Plötzlich lie er meinen Arm los. Beim Anblick seiner verlegenen Haltung und Besorgnis, mir missffallen zu haben, sah ich wohl, das men Inkognito durchbrochen war. Bevor sich aber die ganze Gesellschaft vergewissert hatte, da es sich tatsächlich um meine Person handelte, benutzte ich einen Augenblick der Freiheit, die ich mir gerade zu verschaffen gewusst hatte, und suchte eilends meinen Gasthof wieder auf; die ganze heitere Gesellschaft fuhr nach Genf zurück.