Some people can’t help it.
Freuden sah ich Gegenden wieder, wo sich einige frohe Tage miner Jugend abgespielt hatten. Dort, am Tech, war eine Allee, die man nach mir getauft hatte; und hier, nahe dem Fluß, war mir ein Angelhaken beim Fischen in den Finger gefahren; ich hatte, während meine Kameradinnen mich weinend umstanden, allen Mut zusammengenommen und den Hamen, one erst den Arzt abzuwarten, selbst herausgerissen. Alle diese Erinnerungen verschafften mir meinen Frohsinn einigermaßen wieder. Mein Mann hatte es nicht gewagt, die Einladung des Kaisers für uns beide abzuschlagen. Ich war mit der Prinzessin von Baden, ihrem Mann und dem bayerischen Prinzen angekommen. Der Kaiser jagte den ganzen Tag und ging früh schlafen.
Am Abend sollten wir bei der Prinzessin von Baden Tee trinken und kamen auf den Einfall, uns auf Kosten des Prinzen von Bayern einen Scherz zu erlauben. Wir statteten eine Puppe mit einer Perücke und hübschen Nachthaube aus, zogen ihr ein Hemd an und liessen sie ihm in sein Bett legen. Wir schrieben dann einen Brief, der von der nicht unterzeichneten Dame herrühren sollte; sie wünschte, hieß es, sehnlichst, mit ihm zusammenzutreffen, und erwartete ihn auf seinem Zimmer.
Ein Lakai übergab den Brief in unserer Gegenwart. Der Prinz las ihn mit einer Erregtheit, die er nicht bemeistern konnte. Er zog einen andern Brief aus der Tasche, verglich ihn mit dem eben empfangenen, trat auf mich zu und sagte beklommen:
„Sind diese Schriften wohl von der gleichen Hand?" Ich versicherte ihm, das beide Schriften von derselben Person sein müssten; nur sei der eine Brief sorgfältig, der andre in größter Eile geschrieben. Er zweifelte nun nicht länger, das ihn eine Dame auf seinem Zimmer erwarte, war ganz verstört und zerbrach sich den Kopf, wie er sie aus dem Hause schaffen könne, und was der Kaiser dazu sagen würde. Er nahm dann meinen Arm, bat mich, ihm aus der Klemme zu helfen und den Befehl zu geben, die Dame zu entfernen, die sich so weit vergessen habe, ihm sogar bis hierher nachzulaufen. Er nannte sie mit Namen, es sei das berühmte Fräulein Georges, von der er den Brief habe und die ihn in diese arge Verlegenheit bringe. Wir konnten über seinen Zustand und die uns unbeabsichtigt gemachte vertrauliche Mitteilung lachen soviel wir wollten - er konnte und wollte nicht begreifen, das es sich um einen Scherz handelte. Wir mussten alle auf sein Zimmer mitkommen. Wir wären ihn sonst nicht losgeworden. Sein Angst davor, was wohl der gestrenge Kaiser sagen würde, überstieg alle Grenzen.
Schliesslich ergriffen wir Kerzen und führten in durch die grossen Gänge nach seinem Gemach. Unser Zug glich einer Prozession; der Prinz von Baden voran, dann unsre Damen. Wer sonst noch im Schloss war, schlief. Wie wir eintraten, verdoppelte sich sein Entsetzen wie unser Gelächter beim Anblick einer Frauensperson, die ruhig in seinem Bett schlief. Und hiermit hatte der Scherz ein Ende; der Puppenkopf mit der Perücke mufte preisgegeben werden; denn der Prinz schien die Sache gar zu ernst zu nehmen. Am folgenden Tag lachten der Kaiser und die Kaiserin herzlich über den Spa. Ich weiss aber nicht, ob der königliche Prinz, der freilich im Augenblick der Enthüllung nicht genug darüber lachen konnte, uns den Scherz je ganz verziehen hat.
SECHSTES KAPITEL
Die Königin von Holland. - Der Hof König Louis. - Der holländische Thron. - Empfang der holländischen Gesandten. - Adelens Heirat. - Besuch des Herrn von Flahaut. - Abreise. - Ankunft in Holland. - Gebete für die Königin. - Einzug in Rotterdam. - Reise nach Mainz. - In Aachen. - Am Rhein. - Herr de la Bédoyère. - Herr von Talleyrand. - Explosion in Leyden. - Im Haag. - General von Broc. - Brief des Kaisers an Louis. - Annäherungsversuche. - Vorgeschlagener Vertrag. - Antwort der Königin.
Diese Zeiten des Frohsinns waren aber ur vorübergehend. Die Jugend bedarf ihrer. In meine Häuslichkeit zurückgekehrt, fand ich wider nichts als Traurigkeit und Strenge. Meine Leiden sollten noch zunehmen. Es traf eine Abordnung ein, der Admiral Ver Huell an der Spitze, und mein Mann teilte mir eines Morgens mit, der Kaiser habe ihm soeben eröffnet, er solle König von Holland werden. „Du nimmst doch hoffentlich nicht an?" rief ich, wie ich dies hörte, und erwartete, er würde für sich dieselbe Charakterstärke bekunden wie damals, als es sich um seinen Sohn handelte, also eine Krone ausschlagen, an der ihm nichts gelegen zu sein schien. Sobald die Sache bekannt wurde, erschien Karoline zu Besuch. „Ich habe", sagte sie, „der Hochzeit des Prinzen Eugen in München nur beigewohnt, weil mir der Kaiser die Krone von Holland zusagte. Ich möchte ihn aber ohne eure Einwilligung nicht an sein Versprechen erinnern. Ist es euch recht?" Wir sagten beide, wir würden es gern sehen, wenn sie ihr übertragen würde; aber Karoline hatte keinen Erfolg.
Wollte mir das Schicksal wirklich noch diese Krone als die grausamste aller meiner Prüfungen bescheren? Entriss sie mich doch zu allen meinen schmerzlichen Erlebnissen auch meinen mir so lieb gewordenen Pflichten, meinem einzigen Trost, der Familie, den Freunden, dem Vaterland, das so innig zu lieben ich erzogen wurde. Daß ich's gestehe: die Gelassenheit meines Mannes setzte mich in Erstaunen. Für ehrgeizig hielt ich ihn nicht: aber ich sah ihm eine gewisse Zufriedenheit an. Bis dahin hatte ihn jeder Wechsel verstört. Damals aber genoss er offensichtlich die Aussicht auf den Genuss, sein eigener Herr und insbesondere der meine werden zu sollen. Künftig, dachte er sich wohl, stand seinen Rechten auf mich keine Rücksicht, keine Anstandspflicht mehr im Wege. Wenn ihm erst sein Bruder nichts mehr zu sagen hätte, wäre auch nichts mehr zu fürchten. Und das war denn auch (ich sollte es noch erfahren!) der Grund für diese insgeheime Freude und den scheinbaren Verzicht auf einen Thron, den er tatsächlich besteigen sollte.
Ich war über alles im klaren. Ich wufte, das mein Elend sich verdoppeln musste. Einen Augenblick war ich daran, mich dem Kaiser zu Füßen zu werfen, ihm die Qualen zu gestehen, die mir mein Mann bereitete, die Gnade zu erbitten, ihm nicht ins Ausland folgen zu müssen, wo nichts seinen Sonderbarkeiten entgegenwirken würde, die ich so gut kannte und fürchtete.
Wie aber mein Blick auf die Kinder fiel, wurde mir der Gedanke einer Trennung zum ärgsten aller Übel. Ich verschloss meinen Schmerz in mein Inners und war entschlossen, ihnen zu folgen und überall die Sorgfalt in reichem Maß angedeihen zu lassen, deren sie so sehr bedurften. Ich musste dabei immer an eine Geschichte denken, die mir in der Kindheit einen so starken Eindruck gemacht hatte: Eine von ihrem Mann getrennt lebende Frau kehrt viele Jahre später als Erzieherin in sein Haus zurück und setzt sich allen Demütigungen aus, nur um ihre lieben Kinder selbst zu warten und in ihrer Nähe zu leben. Ich redete mir ein, das Schicksal dieser Frau sei auch das meine, und sagte mir, diese Thronbesteigung bedeute den Beginn meiner Hörigkeit. Die Mutterliebe gab mir also die Kraft, meine neuen und schmerzensvollen Pflichten zu erfüllen.
Alls wirkte zusammen, um einen düsteren Schatten auf die Rangerhöhung fallen zu lassen, vor der mir graute. Wir hatten Hoftrauer für die Prinzessin von Asturien. Ich war also schwarz gekleidet, wie ich die Glückwünsche in Empfang nahm, die man meiner Tränen wegen für Kundgebungen der Anteilnahme an einem Todesfall hätte halten können.
Die Unglücklichen sin abergläubisch. Meine Traurigkeit inmitten dieser trübseligen Veranstaltungen lie mich die Zukunft in noch schwärzeren Farben sehen; und mich hilt man für glücklich!
Der Prinz von Bayern besuchte mich gleichzeitig mit den holländischen Abgeordneten. Mein Schmerz, der wider meinen Willen zum Durchbruch kam, überraschte ihn sehr und brachte die Holländer auf den Gedanken, ich könnte ihr Land nicht leiden. Der Kaiser brauchte für seine Zwecke auch den Ehrgeiz seiner Brüder. Er war bereit, seiner Familie die Unzufriedenheiten zu vergeben, die dem Verlangen nach Macht und Größe entsprangen; war es ihm doch vertrauter als irgend jemandem. Und er konnte es mir deshalb auch nicht verzeihen, das ich so ganz ausser mir war, wie man mir eine Krone bescherte. ,, Wie?", sagte er zu mir, „solltest du deiner hohen Stellung nicht gewachsen sein? Geh, regiere, beglücke deine Völker, eine Genugtuung, die gewiss nach deinem Herzen ist! Ich habe für dich eine Einrichtung getroffen, die in keinem
andern Land besteht: Du wirst kraft der Verfassung bei Minderjährigkeit der Thronerben die rechtmäßige Regentin. Diese Auszeichnung ist schmeichelhaft für dich. So habe denn auch die solchem Rang entsprechenden Empfindungen. „Sire,“ erwiderte ich, „was Sie auch zu tun belieben, meine bürgerliche Denkweise were ich nie verleugnen können, wenn anders die Liebe zum Vaterland und das Hängen an den Freunden und an der Familie so zu bezeichnen sind."
Er lachte über diese Äußerung und sorgte dafür, das die Verabschiedung von meiner Mutter nicht allzu lange währte, um überfüssigen Gemütserregungen vorzubeugen.
Es war eine Zeitlang erwogen worden, ob meine Kinder nicht in Frankreich verbleiben sollten, da sie ja die einzigen Erben der Dynastie waren. Der Staatsrat hatte sich dafür ausgesprochen, der Kaiser indessen, der zur Zeit, wo mein Mann sich weigerte, in die Adoption eines Sohnes zu willigen, einen Senatsbeschluß durchgesetzt hatte, nach dessen Bestimmungen ihm erst vom siebten Lebensjahr an die Verfügung über den männlichen Nachwuchs der Familie zustand, wollte diesem Gesetz nicht zuwiderhandeln und fürchtete möglicherweise auch unsern Einspruch.
Herr von Talleyrand, der mir dies alles mitteilte, hatte den sehnlichsten Wunsch geäußert, sein Bruder Boson von Périgord möchte die oberste Kammerherrnstelle bei uns erhalten.
Aber mein Mann lehnte ab. Der ganze junge Adel Frankreichs, der sich bislang dem kaiserlichen Hof noch ferngehalten hatte, glaubte seinem Stolz wie seinem Fortkommen zu dienen, wenn er sich um Stellungen in Holland bewarb. So suchte ein Herr Rainulphe von Osmond, einst Prügelknabe des Dauphin, um die zweite Kammerherrnstelle nach und ein andrer um die des Stallmeisters; aber diese „Liebenswürdigen", wie sie mein Mann nannte, waren ihm nicht genehm. Alle Bewerbungen wurden abgelehnt.
Die Anziehungskraft hoher Lebensstellungen sollte eigentlich in dem vielen Guten liegen, das von dort aus getan werden kann, eine Genugtuung, wonach das Herz immer verlangt. Vor meiner Abreise war es auch meine liebste Aufgabe gewesen, Gnaden zu erwirken. Die Finanzämter ware die einzigen Stellen, deren Besetzung der Kaiser sich für Vergünstigungen vorbehalten hatte. Alle andern waren nur auf dem Dienstweg mit seinem Stufengang zu erreichen. Ich hatte mir schon seit zwei Jahren eine solche Stelle, die 20 000 Franken eintrug, für den Verlobten einer Kusine Adeles ausgebeten. Die Familie wartete mit Ungeduld auf die Ernennung, um die Hochzeit feiern zu können. Ich hatte den Kaiser schon etliche Male der Sache wegen belästigt und musste nun erfahren, das die Stelle, die doch gewiss keine hervorragende war, schon einem andern ver-