Hortense’s Memoirs in German: a social engineering event results in even more terror for young Hortense.

In this excerpt, we find out what life was like when terrorists hijacked the government of Hortense’s nation, France, in the late 1700s.

Besorgnis zutage. Zerlumpte Mannspersonen durchstreiften die Stadt, tranken, sangen, schrien und erschreckten die braven Bürgersleute, denen diese Ausbrüche der Heiterkeit kein rechtes Vertrauen einfößen wollten. In den Straßen der Armsten hatte das Volk seine gute Laune besser beizubehalten gewuft, und sie fand auch entsprechenden Ausdruck. Wie wir so vorüber. gingen, erhob sich ein Flickschuster im alltäglichsten Hausgewande von einem Tisch, näherte sich lachend unsrer Erzieherin und drückte ihr einen Kuf auf die Wange. Natürlich war das ein weiterer Anlal für sie, uns, während sie uns schleunigst heimführte, zu wiederholen: „So etwas wäre früher unmöglich gewesen.“

Mein Bruder sah mich beim Anblick der Demütigung unsrer Hofmeisterin schadenfreudig an (den das arme Fräulein Lannoy war sehr hässlich), und Eugen bestand darauf, daf der Mann ihren Hochmut gewittert und sie nur geküft hätte, um ihr den ein wenig auszutreiben. Ich sagte zu ihr: „Ich bin recht froh, das ich noch so jung bin; denn der garstige Kerl hätte mich sonst vielleicht auch geküft.

„Ich hätte es nicht gestattet", erwiderte mein Bruder, indem er sich zur ganzen Höhe seiner zwölf Jahre aufreckte.

Ich habe auch noch andre Feste aus eben dieser Zeit in guter Erinnerung. Sie waren ansehnlich und eindrucksvoll; aber ich habe nachher beim Volk wieder weit mehr Heiterkeit bemerkt.

Der Herlichkeit seiner Macht war damals noch die Sorge beigemischt. Sein Elend war sehr grof, und die Berauschung, die zur Zeit des Bundesfestes geherrscht hatte, war einem Schrecken gewichen, der sich allen Schichten de Bevölkerung mitteilte.

Denn der „Terror" wirkte zu jener Zeit selbst auf die zurück, die die Streiche führten und oft genug nur aus Angst gegen andre wüteten.

Eines Tages ging ich von der Prinzessin von Hohenzollern in Begleitung ihrer jüngsten Zofe nach Hause, die uns immer bis zur Saint-Dominique-Strake brachte, wo wir ja wohnten.

Mein Bruder war bei seinen Schularbeiten daheim geblieben. Da sahen wir an einer Strafenecke plötzlich eine beträchtliche Menschenmenge unter lärmendem Musizieren auf uns zukommen. Alles war wie ausgestorben, man fürchtete, den Leuten in den Weg zu laufen. Türen und Fenster der Häuser wurden, wie sie kamen, eilends geschlossen. Nicht einmal die Türhüter ließen sich durch ire Neugierde aus den Häusern locken. Die junge Zofe und ich ängstigten uns nicht wenig, wie wir so ganz allein auf der Straße standen; umzukehren wagten wir nicht, unsren Weg fortzusetzen, fehlte uns der Mut, und so suchten wir denn Zufucht in der Nische eines Torwegs. Was es mit dieser Horde auf sich hatte, weiß ich heutigentags noch nicht. Ich erinnere mich bloß, daß ich eine Rotte bararmiger Männer vorüberziehen sah, die „ça ira" und die Marseillaise brüllten, dazu ein Bildnis der Freiheit auf den Schultern einhertrugen. Ich war damals ein gar kleines Ding, aber die Wut, die ihnen aus den Augen sah, lie mich erschaudern, so wenig ich sie mir erklären konnte. Mein Entsetzen steigerte sich jedoch, wie ich sah, das sie vor mir haltmachten, unter den lautesten Verwünschungen eine Tür einstiefen, Leitern haben wollten, dazu unter lauten Zurufen die Hausbewohner bezichtigten, sie gehörten zum Adel, und sie mit der „Laterne" bedrohten, das alles deshalb, weil sie vorn am Haus im Vorübergehen ein geschnitztes Marienbild bemerkt hatten. Die Leiter wurde sofort, ich weiß nicht mehr von wem, herbeigebracht, worauf die Rasenden das Bild mit wütenden Säbelhieben verstümmelten. Bei meinen kindlich gläubigen Vorstellungen wirkte diese Schändung stark auf mein Gemüt.

Ich vergaf darüber den Schrecken, den ich eben noch ausgestanden hatte, und empfand Mitleid bei dem Gedanken des fürchterlichen Strafgerichts, das, wie ich meinte, die Übeltäter unverzüglich ereilen mufte. Meine fromme Einbildungskraft schuf sich schon Höllenstrafen für diese Entweihung, und mit tiefem Bedauern dachte ich an alles Unheil, das ich über sie hereinbrechen sah. Endlich zogen sie wieder ab, und ich kehrte, statt zu meinem Bruder zu gehen, zur Prinzessin zurück, ihr zu erzählen, was ich soeben mit angesehen hatte. Sie schalt mich, weil ich mich durch die junge Zofe hatte begleiten lassen; denn sie gab mir sonst nur die Altesten mit.

Die Prinzessin stand damals unter behördlicher Aufsicht im eigenen Haus; ein Polizeisoldat hielt Wache. Sie leitete die Erziehung eines jungen Neffen, des Prinzen Salm, wie einer jungen Engländerin, die sie in ire Obhut genommen hatte.

Wir vier, die wir freilich noch zu jung waren, die Dinge zu verstehen, die sich abspielten, unterhielten uns auf den großen Terrassen des Salmschen Palates mit aller Freude und Unbefangenheit, die der Jugend zukommen. Aber zur Zeit, wo wir nun täglich auf dem Platz Ludwigs des Fünfzehnten das Volk sich zusammenrotten und ein erhöhtes Gerüst umstehen sahen, von dem wir ahnten, daf es eine Hinrichtungsstätte bedeutete, wandten wir freilich die Augen ab und zogen uns traurig und bedrückt ins Zimmer zurück. Beim Gedanken, da Unglückliche dort ihr Leben lassen sollten, muften wir weinen. Wie fern lag uns aber damals der Gedanke, daf unsrer Eltern dasselbe Schicksal harrtel Wir glaubten ja unbedingt an ire Unschuld und erwarteten ire Befreiung mit Ungeduld.

Die Prinzessin erlitt damals einen großen Kummer, der ihre Befürchtungen für alle unsre Lieben nur noch vermehrte. Eine junge Polin, die Prinzessin Lubomirska, die 25 Jahre zählte und in aller ihrer Schönheit strahlte, war zu Besuch nach Paris gekommen und hatte im Salm-Palast gewohnt; in ihrer jugendlichen Unvorsichtigkeit mufte sie einige mikbilligende Äußerungen haben laut werden lassen, wurde verhaftet und sofort aufs Schafott gebracht.

Eine Feier der Revolutionstage, die sich meinem Gedächtnis ganz besonders eingeprägt hat, war das „Fest des Höchsten Wesens". Der Konvent hatte nämlich auf den Vorschlag Robespierre das Dasein des Höchsten Wesens und die Unsterblichkeit der Seele anerkannt, und es war ein Tag anberaumt worden, diese Anerkennung mit allem Gepränge zu feiern. Alle Welt freute sich damals darüber. So hatten wir einen Schreiblehrer, der in ausgesprochener Jakobiner und einen Geschichts- und Sprachenlehrer, der stammer Royalist geblieben war. Damals sprachen beide, ungeachtet ihrer Meinungsverschiedenheiten, in den höchsten Tönen von Robespierre. Der war Präsident des Nationalkonvents, und es hie, er werde sich an dem gedachten Festtag zum König ausrufen lassen, alle Gefängnisse öffnen und die Ordnung wieder herstellen. Kurz, ich entsinne mich noch recht gut, daß man sich überall auf dieses Fest in dem Glauben freute, es were das Ende aller Übel bedeuten.

Trotz des Ungemachs der Zeiten hatten wir uns über keine eigentlichen Mängel zu beklagen; den Herr Henry, ein Bankier in Dünkirchen, schickte uns jeden Monat eine bestimmte Summe Geldes, für die er sich dan über London bei meiner Großmutter bezahlt machte, die auf ihrem Gut in Martinique geblieben war; dieser Umstand gestattete es unsrer Erzieherin, während der Abwesenheit der Mutter uns alle die kleinen Bequemlichkeiten zu verschaffen, an die wir gewöhnt waren.

An jenem Festtag nun bekam ich ein Kleid aus weisser Schleierleinwand angezogen, dazu eine blaue Schärpe; die Lockenhaare felen mir auf die Schulter herab. Während sie mich ankleidete, sagte die Zofe zu mir: „Heute muf das gnädige Fräulein recht schön gemacht werden; denn wir bekommen wahrscheinlich zu hören, da die Eltern aus dem Gefängnis dürfen; die können Sie dann gleich begrüfen." Ich war unbändig vor Freude bei diesem Gedanken.

Als wir bei den Tuilerien angekommen waren, sahen wir, wie die Deputierten de Nationalkonvents eben eine breite hölzerne Treppe herabkamen, die man neben dem großen mittleren Saal errichtet hatte; sie begaben sich in den Garten, alle in grofer Gala und ungepudert.

Voraus schritt ein einziger, der das Haar gepudert trug und dadurch von dem andern abstach. „Es ist Robespierre", rief man von allen Seiten.

„Er allein trägt gepudertes Haar. Was wird er wohl sagen!" 'Hören konnten wir nichts. Die Depu tierten warn an das große mittlere Wasserbecken herangetreten, das man ausgetrocknet hatte und wo hölzerne Bildwerke errichtet worden waren, die den Atheismus und andre Sinngebilde vorstellen sollten; brennbare Stoffe waren um sie aufgeschichtet. Man reichte Robespierre eine brennende Lunte, und er steckte das Ganze in Brand. Im Nu war alles ein Raub der Flammen, und die Luft war mit Feuerwirbeln und Rauchschwaden angefüllt.

Ein Feuerfunken fiel auf mich und versengte mir die Brust.

Mein Linonkleid fing Feuer, und man brachte mich nur mit Mühe in Sicherheit und in unsere Wohnung zurück. Um das Maß der Missgeschicke dieses Tages aber voll zu machen, erfuhren wir, daf für die Gefangenen keine Aussicht auf Freilassung bestand; statt des erwarteten Glückes mufte ich also meine Wunde pflegen und Schmerzen erdulden.

Eines Tages erschien eine uns unbekannte Frauensperson, die uns, meinen Bruder und mich, ohne weitere Erklärungen abholen wollte.

Fräulein von Lannoy wollte zuerst davon nichts wissen. Die Frau wies darauf etwas von meiner Mutter Geschriebenes vor, was ihr als Ausweis diente. Fräulein von Lannoy schwankte noch immer und befürchtete eine Falle. Schlieflich aber willigte sie ein.

Die Frau führte uns in einen Garten in der Sèvres-Strabe.

Sie lie uns mit geheimnisvollem Gebaren in das Gärtnerhaus ein und befahl uns tiefstes Schweigen. Uns gegenüber befand sich ein grosses Gebäude. Ein Fenster tat sich auf, und meine Eltern zeigten sich. Ich schrie vor Überraschung und Erregung laut auf und streckte die Arme nach den Eltern aus, die mir bedeuteten, ich solle mich still verhalten; eine Wache aber, die unter der Mauer auf- und abging, hatte uns gehört und rief an. Die Unbekannte führte uns hierauf sofort weg.

Später hörten wir, daf jenes Fenster des Gefängnisses ohne weiteres zugemauert wurde. Ich habe damals meinen Vater zum letztenmal geschen. Wenige Tage nachher weilte er nicht mehr unter den Lebenden. Einige Augenblicke, bevor er zum Schafott geführt wurde, schrieb mein Vater an meine Mutter einen Brief, das letzte Zeichen seiner Liebe zu uns und seiner Hingebung an das Vaterland.

Weder von meinem Kummer noch von meinen Tränen soll die Rede sein, wen ich von meinem geliebten Vater spreche.

Sein Andenken ist unvergänglich. Nur die Zeit hat es vermocht, den Eindruck des fürchterlichen Todes abzuschwächen, den er hat erleiden müssen! . . . 

Entsetzen und Jammer wuchsen von nun an um uns her. Auch die Prinzessin von Hohenzollern war aufs tiefste bekümmert: Ihr Bruder, der Prinz von Salm, kam am gleichen Tage wie mein Vater ums Leben.

Wir brachten nun alle Tage bei ihr zu und teilten uns unsren Kummer mit. Die Prinzessin hatte nur mehr einen Gedanken: Dieses Frankreich zu verlassen, wo sie aufgewachsen war, das sie so sehr liebte, aber wo sie einen zu großen Schmerz hatte erleiden müssen, als das sie sich nicht weggesehnt hätte. Wir sollten sie also verlieren.

Auch war die Rede davon, da man sich der Kinder der Verurteilten bemächtigen wolle. Mein Bruder fühlte sich als meinen einzigen Beschützer und den meiner Mutter. Schon zeigten sich, trotz seiner Jugend, die Kalblütigkeit und Tatkraft, die sich bei hm in der Folge so bedeutend entwickeln sollten.

„Ich verlasse dich nicht," sagte er, „sei du nur unbesorgt. Ich werde es nicht dulden, das man dich fortholt. Soldat will ich werden. Dann wird man es nicht wagen, meiner Schwester und Mutter etwas zuleide zu tun; und während ich unter den Waffen stehe, und bis wir die Mutter wider bei uns haben, gehst du eben nach La Ferté-Beauharnais."

-„Ich ganz allein!" rief ich aus. „Oh, das hielte ich nicht aus!"

-„Schön, also; so kommst du mit mir. Du hast doch nicht etwa Angst